Am 23.6. wurde der Matić-Bericht in Brüssel mit 378 gegen 255 leider angenommen (42 Stimmenthaltungen). Davor waren zwei Versuche, den Bericht durch alternative Anträge zu stoppen, gescheitert. Zwei Jahre hatte die politische Debatte um den Matić-Bericht gedauert. Obwohl die EU in nationales Recht nicht eingreifen kann, ist dieser Bericht ein offensichtlicher Versuch, dieses Recht in den kommenden Jahren zu untergraben. Aus ganz Europa waren tausende Emails an die Abgeordneten eingegangen, mehrere Bischofskonferenzen hatten sich dagegen ausgesprochen.

Details zum Abstimmungsverhalten – ÖVP stimmte in den Unterpunkten mehrmals für Abtreibung
Wir haben uns das Abstimmungsverhalten genauer angesehen. Christdemokraten und Konservative stimmten überwiegend gegen den Matić-Bericht, alle Liberalen, Linken und Grünen (außer zwei Sozialdemokraten) stimmten dafür. Es wurde jedoch nicht nur über den Bericht als Ganzes abgestimmt, sondern auch über 41 kontroverse Antragspunkte und 15 sogenannte „Considérants“ (Erwägungen).

Beim Durchsehen des Abstimmungsverhaltens über diese UNTERPUNKTE (die bisher in keinen Medien erwähnt wurden) gab es für uns einige überraschende Erkenntnisse: ÖVP, CDU und auch Manfred Weber als Vorsitzender der EVP-Fraktion stimmten in mehreren Punkten für Abtreibung, künstliche Befruchtung und enthielten sich beim Thema Sexualerziehung nach WHO Standards der Stimme (Weber und CDU stimmten hier zu). Die Abgeordneten stimmten in einigen sogenannten KEYVOTES zwar gegen diese Themen, aber leider eben nicht so konsequent wie andere EU Abgeordnete bei ALLEN Punkten.

Weiters ist am Ende des Matić-Berichtes ersichtlich, dass der österreichische EU- Abgeordnete Christian Sagartz (ÖVP) im Vorfeld, in seiner Funktion als mitberatendes Ausschußmitglied, dem ersten Entwurf am 25.2.2021 sogar zugestimmt hatte.

„Sexuelle und reproduktive“ Rechte

Wie inzwischen bekannt sein dürfte, wird Abtreibung in solchen Texten mit dem Chiffre „sexuelle und reproduktive“ Rechte oder Gesundheit umschrieben. Diese Ausdrücke kamen in vielen Punkten vor, und, um die Verwirrung perfekt zu machen, immer in Zusammenhang mit Diskriminierung von kleinen Randgruppen. Zugegeben, da fällt es manchmal schwer den Überblick zu behalten und immer wieder zu erkennen, dass es beinahe immer um das uneingeschränkte Recht auf Abtreibung geht. Da jedoch im Vorfeld tausende Emails an die Abgeordneten geschrieben wurden und der öffentliche Protest durchaus zu spüren war, müssten das die konservativen Abgeordneten doch durchblickt haben.

Lesen Sie hier einige Beispiele jener Punkte, für die die ÖVP gestimmt hat (die FPÖ stimmte in beinahe allen Punkten dagegen).

„Menschenrecht“ auf Abtreibung

In diesem Punkt wird das Recht auf Abtreibung sogar zum „Menschenrecht“ gemacht und anderen Rechten gleichgesetzt.

Unterpunkt L, die ÖVP stimmte dafür

…der Zugang zu Gesundheit, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, ist ein Menschenrecht

Unterpunkt AD,  die ÖVP stimmte dafür

…die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen ist gemäß der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit zahlreichen Menschenrechten verknüpft

 

Verweigerung der Abtreibung wird zur Menschenrechtsverletzung

Unterpunkt 18, die ÖVP stimmte dafür

Hier wird das Ganze sogar umgedreht und das Verweigern der Möglichkeit zur Abtreibung als „Menschenrechtsverletzung“ bezeichnet

..und fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, allgemeinen Zugang zu einer hochwertigen Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit ohne Diskriminierung, Zwang und Missbrauch zu gewährleisten und diesbezügliche Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren, zu unterbinden und zu verhindern;

 

Künstliche Befruchtung

Unterpunkt M

Lukas Mandl und Othmar Karas (als einzige der ÖVP) stimmten der Forderung nach künstlicher Befruchtung von lesbischen und bisexuellen Frauen zu, sowie von Transgender–Personen und gleichgeschlechtlichen Paaren

… in der Erwägung, dass lesbische und bisexuelle Frauen unter Umständen nicht in der Lage sind, ihre „Unfruchtbarkeit“ zu beweisen, und ihnen daher der Zugang zur künstlichen Befruchtung verwehrt wird;

 

Zugang der Abtreibung für behinderte Frauen und Mädchen

Unterpunkt 17

Die gesamte ÖVP stimmte für die Möglichkeit der Abtreibung für Frauen und Mädchen mit Behinderungen

…ist zutiefst besorgt darüber, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen viel zu oft der Zugang zu Einrichtungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit verwehrt wird

Sexualerziehung in den Schulen

Unterpunkt 26

Bei der Forderung nach umfassender Sexualaufklärung nach den WHO Standards für alle Kinder der Grund- und Sekundarstufe sowie Kindern außerhalb der Schule, inklusive dem Recht auf Abtreibung, enthielt sich die ÖVP leider geschlossen der Stimme.  Die WHO Standards, auf die sich der Bericht ausdrücklich mehrmals beruft, sind das Grundübel unserer gängigen Sexualpädagogik in den Schulen, umso unverständlicher ist es wieso sich die ÖVP der Stimmen gerade in diesen Zeiten enthalten hat. Seit Jahren betreuen wir Eltern, deren Kinder verstört vom Unterricht oder den Workshops nach Hause kommen. Sehen Sie dazu diesen Film.

Einige Abgeordnete hatten uns in ihren Antwortschreiben vor der Abstimmung ihre unverrückbare Einstellung gegen Abtreibung versichert. Wir werden um Stellungnahmen bitten.

Matic Bericht
Abstimmungsergebnisse

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